Stromtrasse durch den SHK

Jörg Diettrich

Wir brauchen Energiegewinnung dort, wo sie verbraucht wird. 

Am 4. April 2019 hat der Deutsche Bundestag das »Gesetz zur Beschleunigung des Energienetzausbaus« beschlossen. Ralph Lenkert (DIE LINKE) hat die Bundesregierung im Vorfeld der Debatte um die Beantwortung einiger Fragen zu den Übertragungskapazitäten im Höchstspannungsnetz zwischen den Bundesländern gebeten. Die Antwort darauf lautete, dass diese nicht ermittelt würden.

Wenn man jedoch die Übertragungskapazität des Höchstspannungsnetzes und darin eingeschlossen die Übertragungskapazitäten zwischen Bundesländern nicht kennen würde, dann könnte man weder das Netz steuern noch eine Aussage über den zukünftigen Ausbaubedarf machen. Die Bundesregierung, die zuständigen Ministerien und die Bundesnetzagentur geben vor, wesentliche Informationen, ohne die weder eine Planung des Netzausbaus noch eine Beurteilung der gesamten elektrotechnischen Infrastruktur unseres Landes möglich ist, nicht zu kennen.

Wahrscheinlicher ist, dass diese Informationen durchaus vorliegen, man möchte sie dem Parlament, aber nicht weitergeben.

Auf welcher Grundlage soll das Parlament ohne diese Kenntnisse dann Gesetze beschließen?

Nicht erst mit diesem Gesetz werden hinter geschlossenen Türen die Weichen gestellt. Der aktuelle Entwurf des Netzentwicklungsplanes enthält aber dennoch Aussagen, die uns anschaulich zeigen wohin die Reise geht.

Die Botschaft lautet sinngemäß:

»Wir, die Netzbetreiber, Energieerzeuger und die Großindustrie bauen und ihr alle bezahlt das. Was wir genau machen, geht euch nichts an. Wichtig für uns ist nur eines, es wird groß und es wird richtig teuer.«

Immer mehr BürgerInnen unseres Landes können sich die ständig steigenden Strompreise nicht mehr leisten. Aber gerade elektrische Energie ist eine Grundvoraussetzung für ein Leben in unserer modernen Gesellschaft. Wer nicht im ausreichenden Maße über die lebensnotwendige Energie verfügt, wird ausgegrenzt und das ist im höchsten Maße sozial ungerecht.

Im Bundesbedarfsplangesetz (BBPLG) ist für die meisten Hochspannungsleitungen vorrangig eine Erdverkabelung  vorgeschrieben. Das scheint zuerst mal eine vernünftige Idee. Die Kabel verschwinden in der Erde und stören niemanden.

Die Kabel sind keineswegs unsichtbar. Eine dauerhaft sichtbare Trasse zieht sich durch unsere Natur und Landschaft. Viele hundert Hektar Wald werden gerodet. Naturschutzgebiete und wertvolle Biotope sind betroffen. Landwirtschaftliche Flächen werden entwertet. Flora und Fauna werden überall zerstört. Aber das wesentliche ist die Tatsache, dass die Trasse vier- bis achtmal teurer wird als eine vergleichbare Freileitung.
Das eigentliche Problem liegt jedoch noch viel tiefer. Die Nutzung erneuerbarer Energieformen, wie z.B. Sonne und Wind, ist unverzichtbar. Zurzeit befinden wir uns, was die Energienutzung betrifft, in einer Umbruchphase. Wir können noch nicht auf die fossile Stromerzeugung verzichten, müssen aber in absehbarer Zeit auf erneuerbare Energie umstellen. Das ist nicht nur der Endlichkeit unserer fossilen Energieträger, sondern in noch viel stärkerem Maß unserem Klima geschuldet.

Die Bundesregierung trägt den Klimawandel wie ein Mantra vor sich her. Im Interesse der großen Energieerzeuger wird jedoch scheinbar alles getan, um den Ausstieg aus der fossilen Erzeugung weit in die Zukunft zu verschieben.

Die Behinderung der Einspeisung von Wind- und Sonnenstrom ist seit längerem gängige Praxis. Unter den Begriffen »dumped Energy«, »Spitzenkappung«, »Einspeise-Management«, »Redispatch« oder »Netzbooster« werden die Anlagen für regenerative Energien zugunsten fossiler Energiegewinnung abgeregelt. Begründet wird das meist mit dem fehlenden oder noch zu realisierenden Netzausbau. Eine Netzentlastung durch eine lokale Verwertung der »gekappten« Energie wird nicht in Erwägung gezogen.

Wir brauchen ein Moratorium für die Planung und den Netzausbau in Deutschland. Wir brauchen eine breite öffentliche Diskussion.